„Gewaltig, ....grroßartig, ....gleich habt's Ihrs....“

Ein Bericht von Sylva und Jürgen Kohl

....in Tiroler Mundart zugerufen mit begleitendem Klatschen, so wurden wir als Läufer der dreitägigen „Tour de Tirol“ bei den einzelnen Läufen von den Zuschauern motiviert und angefeuert.

Zum zweiten Mal waren wir – Sylva und Jürgen Kohl (Lauftreff Westum) - dieses Jahr wieder vom 03. bis 05.10.2014 bei der „Tour de Tirol“ im österreichischen Söll, einem schönen Ort zu Füßen des berühmten Wilde Kaisergebirges. Bereits bei unserem ersten Besuch wussten wir, dass wir dort nochmal hin müssen.

Kurz zur Veranstaltung: „Seit neun Jahren sind bei der Tour de Tirol an drei Tagen verschiedene läuferische Herausforderungen zu bewältigen. Schnelle zehn Kilometer am Freitag, ein anspruchsvoller Bergmarathon am Samstag und“, statt eines topfebenen Halbmarathons wie in den Vorjahren, „ein gnadenloser 23-km-Traillauf“ am Sonntag (Zitat aus dem Begleitheft zur Veranstaltung).

Vorsorglich verzichteten wir auf das „Schnelle“ beim Söller Zehner, um unser Adrenalin und unsere Kräfte für die beiden anderen Läufe nicht vorzeitig zu verpuffen. So liefen sich die drei Runden über 3,33 km mit je 75m Höhenmetern für uns recht „angenehm“, jedoch nicht ohne Anspannung, aufgrund des Respekts vor dem noch Bevorstehenden.

Am Folgetag standen wir, nach einer recht kurzen Regenerationsphase (der Zehner fand am Vorabend um 18:00 Uhr statt), um 9:15 Uhr wieder im Starterfeld des Kaisermarathons. Die Strecke führte nach einem leicht hügeligen Auftakt von rund 21 Kilometern über die Orte Söll, Scheffau, Ellmau und Going am Fuße des Kaisergebirges entlang, um dann auf der zweiten Hälfte die insgesamt 2200 Höhenmeter im gegenüberliegen Gebirgszug zu erklimmen, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der erste steile Anstieg war größtenteils nicht laufbar. Er endete auf dem Gipfel des Hartkaiser, der für wenige Kilometer mit seinem hügeligen Profil wieder im Laufschritt bewältigt werden konnte. Wir hatten dabei sehr schönes und gutes Laufwetter – Sylva konnte sogar den Großglockner von dort oben sichten. Es folgten dann sechs Kilometer bergab mit einem Gefälle, das leicht dazu verleitete zu schnell zu laufen, sich die Beine „schwer“ zu laufen, so wie es dem afrikanischen Vorjahresfavoriten passierte, als er dadurch beim Schlussanstieg seine Favoritenrolle leider einbüßen musste. Das wussten wir, und deshalb liefen wir auch hier kontrolliert und vorausschauend bis Kilometer 38,6 zur Station „Hexenwasser“ am Berg Hohe.

Salve. Wenn man schon so viele Kilometer hinter sich hat, erscheint die noch zu laufende Zahl von 3,6 km recht wenig. Schaut man aber von dieser Stelle zum Ziel hinauf, zur Hohen Salve auf 1825 Metern und weiß, auf diesen Streckenabschnitt musst Du 700 Höhenmeter überwinden über eine sehr sehr steile und feuchte, von Kühen zerfurchte Wiese, dann denkst du besser nicht mehr über Kilometerzahlen nach, sondern schraubst Dich Schritt für Schritt in die Höhe – irgendwann kommst Du dann schon an..- ..wir kamen an, mit einem letzten „symbolischen Laufschritt“ über die in mindestens 30-prozentiger Steigung liegende Ziellinie. Glücklich und zufrieden gondelten wir ins Tal zurück, mit vielen, unvergesslichen Eindrücken – Beine gut, alles gut.

Bei der Talfahrt nach Söll hat man einen wunderbaren Blick auch auf den Gebirgsquader des Pölven, dem Schauplatz des 23-km-Trails mit 1200 Höhenmetern am dritten Tag. Schon einiges hatten wir von diesem Trail, der neu ins Laufprogramm aufgenommen wurde, im Vorfeld gehört: von „superschwer“ bis „superschön“, als Einzelveranstaltung fordert er schon alles von einem heraus, aber wie kann man den noch laufen, nach den zwei vorausgehenden Tagen? - Wir blieben also weiter in respektvoller Spannung und hofften, dass sich unser Körper auch auf diese letzte „Anforderung“ einstellen wird.

Das Trail-Laufen ist für uns in den letzten Jahren immer mehr in den Mittelpunkt unserer läuferischen Aktivitäten gerückt – Laufen, nicht mehr nur auf Straßen oder befestigen Wegen, sondern „Laufen in der Wildnis“, auf Singelpfaden, über Bäche, Schluchten, bergauf, bergab, über wurzeldurchzogenen Tannenboden und alte Holzbrücken – kurz: ein Laufen, bei dem es uns nie langweilig wird . Auf den Pölven-Trail freuten wir uns deshalb ganz besonders.

Am dritten Tag standen wir wieder pünktlich für den Start um 9:30 Uhr im Kreise der gleichgesinnten „Lauf-Verrückten“, mit denen wir ganz schnell und leicht im Zuge der letzten zwei Tage wie zu einer „temporären Lauf-Familie“ zusammengewachsen waren. Wenn Läufer Respekt vor einer Strecke haben, dann werden sie kurz nach der ersten Starteuphorie sehr schnell still. Du hörst nur die Laufsohlen auf dem Untergrund und bewegst Dich mit einer fast andächtig stillen Laufgruppe – das sind ganz besondere Momente, wenn Du sie wahrnimmst - genauso war es auch hier. … Zwei knackige Anstiege und zwei noch knackigere Abstiege warteten auf uns – auf einem Trail, der all unseren Vorstellungen, wie oben beschrieben, entsprach und noch weit übertraf. Das konzentrierte Laufen, bei dem nicht nur der stets wechselnde Untergrund oder die schmale Wegbreite zu beachten waren, sondern auch unsere tapferen Mitstreiter, die vor und hinter uns liefen, ließen die Erlebnisse und körperlichen Leistungen der beiden Vortage während dessen völlig ausgeblendet - es galt nur der Augenblick. Die teilweise fast senkrechten Abstiege mit schwierigem Profil kitzelten unser gesamtes läuferisches Geschick heraus, forderten unsere Muskeln und Gelenke – erfüllten uns aber auch mit Freude und Spaß am Laufen. Die letzten 1,5 km bis ins Ziel verliefen wieder auf festem Untergrund. Wir kamen gesund, ohne Blasen oder andere Blessuren glücklich ins Ziel als Finisher der „Tour de Tirol“ - „gewaltig, ...grroßartig,...jetzt habt's Ihrs“.

Ein Lob auch an den Veranstalter, für eine sehr gute Organisation mit „Wohlfühlatmosphäre“.

Sylva und Jürgen Kohl