Laufen Davos steil ist – Swiss Alpin Marathon

Pirmin Braun auf dem K78
An einem lauschigen Sommerfreitagabend in Davos verwandelt sich die eben noch verkehrsbelastete Haupteinkaufsstrasse durch einen mit schweizer Präzision ablaufenden logistischen Kraftakt in ein Promenadenfest mit echten Pferden, echten getränkekühlenden Schneebergen, würzigen Raclettegrills, Büdchen mit allerlei Leckereien, Sambagruppe und lustigen Geschicklichkeitsspielchen wie Skischuh-Torwand werfen. Aufgrund eines seltsamen Zufalls kommen eben dort aus allen Teilen der Welt anreisende Lauftreffler zusammen und auch die seit 4 Wochen per Rad reisenden Altenahrer Selbstläufer Eule und Annette Frings finden sich ein.

Das nächste Treffen ist schon ein paar Stunden später um 7 Uhr im Morgengrauen, aber nicht zum Feiern, sondern zum Laufen. Die Hotels wussten Bescheid, Frühstück gab's schon um 5:00 und über 1000 Helfer haben alles für unsere 78 km Runde vorbereitet.

Im Gegensatz zu manch anderen Veranstaltungen wie z.B. dem Bienwald Marathon, wo man solange in einem kleinen Waldstückchen herumläuft bis die Distanz erreicht ist, folgt beim K78 die Streckenführung weit ausholend der Geländeformation: ab Davos auf 1.538 m abwärts im Landwassertal mit Ausflug in die Hanglage auf Singletrail bis Filisur, dort ins Albula-Tal abbiegend und diesem aufwärts folgend bis Bergün (kurzfristige Streckenänderung auf die Strasse wg. Unpassierbarkeit nach nächtlichem Unwetter), dann im Alva-da-Tuors Tal hoch bis zum Parkplatz der Keschhütte, weiter auf Wanderweg zur Keschhütte auf 2.632 Meter, hinab ins Sartiv-Tal und wieder bergauf über den Sertigpass (2.739m) nach Sertig, parallel der Sertigstrasse in Halbhöhenlage auf profiliertem Singletrail im Wald zurück leicht abwärts nach Davos.

Highlight ist natürlich das hochalpine Stück mit überwältigender Bergkulisse, Alpenseen, romantischen Wildwasserwegen, Gletscherblick. Aber auch sonst wird einiges geboten: Kuhglockenschwinger, "Heja"-Rufe, eine luftige außen an die Eisenbahnbrücke montierte Fussgängerbrücke, mitschwingende Hängebrücke, steinbalancierende Gewässerquerungen und vor allem die Riesenstimmung in Bergün. Das ganze Dorf ist aus dem Häuschen, mittendrin unsere per Bahn mitreisenden Frauen, die wir später auf der anderen Seite des Gebirges in Sertig Dorf für eine extra lange Verpflegungspause wiedersehen. Für Helge, den ich auf dem Weg zum Start treffe, geht's in Bergün erst los auf den K42, der ab hier dem K78-Verlauf im hochalpinen Teil folgt.

Mit dem Wetter hatten wir Glück: kühles Läuferwetter ab Start. Regen, Gewitter und Nebel nur das Stückchen zur Keschhütte hoch, oben vertrieb starker Wind die Wolken, dann wärmer auf klar und bei Sonne ins Ziel. Schwieriger hatten es ab 17 Uhr unsere Walkerinnen Christel und Bea mit einem beachtlichen Gewitter.

Die Strecke war gegenüber 2011 etwas kürzer wie man in der Grafik der übereinandergelegten GPS Tracks sehen kann. Seriensieger Jonas Buud aus Schweden blieb knapp unter 6 h, die erste Frau Jasmin Nunige kam in 6:31 als Gesamtdritte vor UTMB-Siegerin Lizzy Hawker mit 6:56 rein.

Erwin Wagner, der sich vor Ort akklimatisiert und die Strecke inspiziert hatte, wurde mit 8:12 zweiter in der AK und blieb damit trotz Zwischenstopp im Hotel mit Eigenverpflegung und obwohl er auf dem Steilstück vom Sertigpass hinunter reihenweise von Kamikaze-Downhillern überholt wurde, vor Selbstläufer Eule Frings mit 8:30.

Hans-Peter Gieraths (9:21), rucksackbepackt, filmend und fotografierend, traf ich (9:16) an der Keschhütte und wir liefen ab da überwiegend zusammen und kamen mit wenigen Minuten Abstand ins 3-spurige flauschige Kunstrasenziel, wo wir vom gefüllten Stadion vor Großleinwandbühne gebührend bejubelt wurden. Lag vielleicht auch an der Flower-Ceremony, wo die Sieger gerade ihre Sonnenblume bekamen.

Helge Höck hatte in seinem Vorbereitungstraining nicht die erforderlichen Kilometer in den Beinen und daher seine Ambitionen zurück geschraubt. Anstelle des K78 hatte er sich für die K 42-Variante entschieden, welche den letzen hochalpinen 42,2 Kilometer des Swiss Alpin Marathon verläuft. Hier konnte er sich trotz nur kurzer Akklimatisierung in 5:46 im vorderen Teilnehmerfeld platzieren.

Zum dritten Treffen kam es im Kongresszentrum auf der Farewell-Party mit Siegerehrung und großen Nudelportionen aber wenig Stimmung. Auf dem Weg zur Halle passierten wir gegen 20:00 ein leeres Geister-Stadion, wo die Zeitlimit-Ausnutzer ihre einsamen Zielankünfte im Regen absolvierten. Unwirklich dröhnte die unermüdliche Lautsprecherstimme des Sprechers, der immer noch jeden Ankömmling begeistert empfing und in den Pausen Musik einblendete. Geehrt wurden jeweils die ersten 10 jedes Bewerbs, keine Altersklassen. Es verlief sich dann auch recht schnell. Frisch geduschte Spätankömmlinge in zu klein geratenen Finishershirts fanden eine bis auf den schunkelnden Lauftrefftisch leere Halle vor und waren mit der Situation sichtlich überfordert.

Nun da der Saisonhöhepunkt so gut geklappt hat, ein paar Einblicke in die Vorbereitung: Die Grundlage holte ich auf heimischen Pfaden am Häuschenberg, Krausberg und zum Steinerberghaus mit bis zu 50 km langen langsamen Einheiten. Ausschlaggebend waren aber die letzten 2 Wochen, in denen wir uns in Wolkenstein auf 1500 m akklimatisiert hatten. Auf dem Plan standen täglich 20 km Bergwandern, gelegentlich ein Abendbergläufchen zum Rif. Comici (500 HM), beim Val Gardena Mountain Run (1200 HM, 14 km) Wettkampfluft schnuppern sowie drei jeweils knapp 40 km lange 2000+ HM Läufe. Deren letzter war am Mittwoch die Sella-Umrundung, Freitag war Reise- und Ruhetag. Der K78 selbst fügte sich dann nahtlos und problemlos an. Oberste Priorität hatten die Pausen an den Verpflegungsstellen mit gemütlichem Essen im Sitzen, Stretching und Regeneration. Die dabei verlorenen Plätze holte ich auf der Strecke regelmäßig wieder auf.