Trail-Wochenende Sankt Wendel: Keep on running
Ein Bericht von Pirmin Braun

Mein Läuferleben befand sich in einer existenziellen Krise. Nach vielen Stadtmarathons konnte ich mich einfach nicht mehr aufraffen. Immer das gleiche. Kampf um den Parkplatz, Gedränge, Schlangen vor Startnummernausgabe, vor Kleiderabgabe, vor den Dixies, ewige Wartezeiten auf Shuttle-Busse. Zu den Pseudo-Pastaparties ging ich schon lange nicht mehr hin, dann 42 km mit Pulsuhr im konstanten Tempo über Asphalt rennen, Hektik an den Verpflegungsstellen und Enttäuschung im Ziel, weil man halt doch jedes Jahr ein wenig langsamer wird, Schlangen vor der Dusche, kein Platz in der Umkleide, Verkehrschaos bei der Abreise und am nächsten Tag gar noch Muskelkater von der immer gleichen Bewegung.

Ganz anders dagegen beim Trailrunning: Das Gelände gibt den Rhythmus vor, kein Schritt ist wie der nächste, Koordination, Geschicklichkeit und Trittsicherheit fordern den Körper ganzheitlich und man kommt an, wenn man ankommt und hat am nächsten Tag auch nach 40 km keinen Muskelkater. Anscheinend haben das noch mehr erkannt, denn Trailrunning wird zunehmend zur neuen Trendsportart gehyped.

Die Sportstadt Sankt Wendel ist aufgesprungen und richtete zum dritten Mal den dreitägigen "keep on running" Trail-Event aus und wir waren dieses Jahr mit 6 Aktiven dabei.

Die Anmeldung war eigentlich abschreckend, viele Seiten Juristendeutsch wie ein Apple Softwarelizenzvertrag mit vielen Ausrufezeichen und der Erklärung der völligen Unterwerfung unter die Willkür des Veranstalters bei Aufgabe sämtlicher Bürgerrechte. Auch die Pflichtpackliste diente wohl nur dem Titelsponsor Salomon zur Umsatzverdoppelung. Nachdem wir unsere Alaska-Durchquerungs-Ausrüstung vervollständigt und verpackt hatten, wurden wir vor Ort dann doch gepäckbefreit. Die Leute von der Orga waren auch gar nicht so grimmig wie das Reglement. Eigentlich waren sie sogar ganz nett und hilfsbereit und flink und mit Begeisterung bei der Sache bis hin zum Bürgermeister. Eine ganze Stadt überschlug sich vor hingebungsvoller Betreuung für 200 Läufer.

Die Infrastruktur hätte locker den zehnfachen Ansturm weggesteckt: der Quadratkilometer große freie Parkplatz, fast für jeden Läufer ein eigenes Dixie, eine eigene Bank in der Umkleide und ewig Platz in der (warmen!) Dusche, pausenlos pendelnde Shuttle-Busse, einfach nirgends Wartezeiten oder Schlangen. Auch nicht bei der Pastaparty, die eigentlich keine war, sondern ein gepflegtes Abendessen (ordentlich gekochte Nudeln mit Gulasch bzw. Hühnchen und Pilzen und Gemüse, Schnitzel und Pommes, Kaffee u. Kuchen, Porzellangeschirr und richtiges Besteck, alles inklusive, auch Nachschlag).

Ähnlich dem olympischen Dorf war der Schlossplatz als Start/Zielbereich installiert. Rundum Lokale mit Außenbewirtschaftung, Baumgruppen, Sitzgelegenheiten, Brunnen und die Zelte der Veranstalter. Es mag sicher mit am herrlichen Bouillon-Wetter gelegen haben, dass sich eine entspannte Strandstimmung einstellte. Sonnenbrillen und die neuesten Trailrunning-Schuhe wurden mit der sorgfältig inszenierten Lässigkeit über den Platz getragen wie ein Surfer sein Brett zum Wasser bringt. Gegen 19:00 Uhr sollte dann aber der Prolog in Form eines 3 km City-Trail starten. Also tranken wir irgendwann aus, zogen uns um, schlenderten zur Kleiderabgabe, joggten zum Aufwärmen die Strecke ab und relaxten dann bis zum Start, der als Einzelstart im 10-Sekunden Takt mit einem 5-Sekunden Piepssignal wie beim Einzelzeitfahren der TdF organisiert war.

Die Streckenführung war mit Kerzen in Tüten, Fackeln und viel Trassierband durch die Innenstadt geführt, es kamen Wendeltreppen, Gasthauspassagen, viele enge Ecken, Böschungen, Wurzeln, Strohballenhindernisse, querliegende Baumstämme mit Lichtschranken-Foto und Cheerleader vor. Der schnellste brauchte 9:36 min., für unsereins dauerte es um die 13 min.

Sylva Kohl wurde zweite bei den Master Women. Diese Platzierung wiederholte sie auch an den folgenden Tagen und sackte dabei ein Preisgeld ein, für das ein Mini-Jobber über einen Monat arbeiten müsste, zusätzlich zu dem Kofferraum voll Sachpreisen.

Am nächsten Tag stand der 30 km Trail an. Ein bewaldeter Hügel in der Nähe war mit Trassierband zu einem Labyrinth umdekoriert worden. Es ging stellenweise direkt durch die Bäume, sonst viel Singletrail, der Rest Waldwege. Nur die 2 km hin und zurück führten über Asphalt. Im Wald selber wurde alles mitgenommen: Gräben und Schluchten, Treppen, Böschungen, Sprungbrett-Brücken, Bachquerungen, querliegende Baumstämme, Wurzelpassagen, steile An- und Abstiege, Graswege, Geröll aber auch wellige Slalomstrecken im Halbschatten des Waldrandes, auf denen sich der Flow einstellte und man über den weichen Tannennadelbelag schwebte und wünschte, es würde nie aufhören. 500 m vor dem Ziel eine Vorankündigungsmatte, so dass der Sprecher samt Publikum auf dem Schlossplatz im Bilde waren, wer denn jetzt den Zielhang runterkommt.

Danach der gemütliche Teil, Schuhe ausziehen, Beine in den kühlen Brunnen hängen, Hefeweizen trinkender Weise die weiteren Ankömmlinge begrüßen, darunter auch unsere neue Lauffreundin und Trail-Novizin Claudia.

Am dritten Tag genauso, nur 20 km und der Hügel daneben und noch ein paar felsige Zickzack-Stellen.

Abends dann immer die multimediale Aufbereitung im Saalbau auf Großleinwand nach Essen und Siegerehrung. Der Track war nämlich gespickt mit Lichtschranken-Fotofallen, stationären und mobilen Fotografen, die auch mal ein Stück mitliefen und reichlich Film- und Fotomaterial mitbrachten.

Rang Name
Total
Citynight
Spiemont
Bosen
2. Kohl Sylva
6:05.30
13.24
3:27.09
2:24.56
20. Wäsche Rolf
6:49.20
15.33
3:49.39
2:44.07
62. Gieraths Hans-Peter
5:30.35
13.07
3:08.17
2:09.10
63. Braun Pirmin
5:30.51
12.58
3:05.46
2:12.07
66. Kohl Hans-Jürgen
5:36.24
13.10
3:16.38
2:06.35

Nur den 20er(Bosen-Trail):  2. Platz Master-Men Schneider Günter 2:10.54

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