Graubündenmarathon 2010 (Schweiz)

Der Graubündenmarathon gilt als der schwerste Bergmarathon der Welt. Und obwohl es dieses Jahr erstmals und einmalig eine Streckenänderung gab, waren immerhin noch 2.222 Höhenmeter (statt knapp 2.700) zum Piz Scalottas (2.321 m.ü.M.) zu absolvieren. Nach Aussagen Graubünden-erfahrener Läufer, war die Strecke mit gut 450 weniger Höhenmetern jedoch zum Teil anspruchsvoller als die Originalstrecke, weil es mehr lange Bergaufpassagen gab. Und wie der Sprecher am Start in Chur betonte: „2.222 Höhenmeter – die muss man erst mal bewältigen…“.

Dieser Herausforderung stellten auch wir uns, die kleine „Abordnung“ des Westumer Lauftreffs mit Sylva und Jürgen Kohl und Rolf Wäsche. Gut überschaubar war die Schar derer, die die bergigen, alpinen 42,195 km in Angriff nahmen. Mit rund 350 Läuferinnen und Läufern glich der Startbereich einem Kreissportfest mit sehr angenehmer und familiärer Atmosphäre. Nicht nur der geringen Teilnehmerzahl, auch unseren Gesichtern war der Respekt vor der bevorstehenden „Arbeit“ anzumerken.

Schnell wurden noch die restlichen sonnenempfindlichen Hautstellen eingecremt: 30 Grad Celsius mit wolkenfreiem Himmel waren die begleitenden Wetterbedingungen, mit denen wir Läufer uns zurechtfinden mussten – eine zweischneidige Wetterlage.

Die Spannung stieg, Ankommen war alles, ein letztes Abklatschen, Umarmen und Glückwünschen – ein lauter Schuß und - - „auf ging’s“, im wahrsten Sinne des Wortes.

Von Anfang an war eine vorausplanende Laufgeschwindigkeit angesagt. Die ersten drei ganz leicht ansteigenden Kilometer durften zu keinem flotten Tempo verleiten, folgten ja sofort weitere 14 Kilometer mit zum Teil alpinen Steigungen. Bei 590 m.ü.M. in Chur gestartet, hatten wir in Churwalden bei Kilometer 11 bereits gut 630 Höhenmeter überwunden. Einen Kilometer lang konnten wir nun bei flacher Strecke verschaufen, um dann sechs Kilometer lang weitere 525 Höhenmeter zu bewältigen. Bei Kilometer 17 in Foppa (1.754 m.ü.M.) war der erste Streckenhöhepunkt erreicht. Die folgenden gut acht Kilometer bergab erlaubten uns leider auch nur sehr eingeschränkt den Blick in die atemberaubende Bergwelt – erforderten  doch das stets wechselnde Gelände und das teilweise sehr starke Gefälle vollste Aufmerksamkeit und Konzentration. Auch hier mussten wir unsere Kräfte gut einschätzen. Zu schnelles Bergablaufen verursacht „schwere Beine“ und die konnten wir für den weiteren Lauf auf gar keinen Fall gebrauchen.

Bergab und bergauf kennzeichnete nicht nur die Strecke, auch unsere „leistungsstarken“ Körper und wettkampferprobte Psyche erfuhren bei diesem Lauf ein ähnliches Profil. Gerade bei den gut sechs flachen Kilometern in  Lenzerheide (1.458 m.ü.M.) um den Heidsee herum, waren unsere Muskeln und Gedanken nicht mehr so sehr von der Konzentration auf das Steckenprofil abgelenkt – „Du fängst an sie zu spüren - einerseits sind da noch die stetig, zum Teil sehr sehr steil ansteigenden letzten 12 Kilometer vor Dir, andererseits hast Du die Möglichkeit, den Zielbogen der 20 Meilen zu durchlaufen und Dein Rennen dort gewertet zu beenden „–  so unsere Gedanken. Aber wir trotzten dieser „Versuchung“, trabten, gingen und erklimmten auch noch diese letzten steilen Kilometer. Schließlich durchliefen wir erschöpft, aber glücklich die Zielmatte auf dem Piz Scalottas auf 2.321 m.ü.M. Die wunderschöne Aussicht auf die Schweizer Bergwelt durften wir jetzt endlich richtig genießen.

Gut organisiert, mit zahlreichen und treffend platzierten Verpflegungsständen entlang der Strecke, erhielten wir auf dem kleinen Gipfelplateau eine Finisher-Medaille,  unsere „Effekten“ (schweizerisch – zu Deutsch: Kleiderbeutel) und wurden mit der Seilbahn und Pendelbussen ins Tal gebracht. Damit war das Rennen für uns aber noch nicht beendet. In einer anderen Weise ging es jetzt noch einmal richtig los – wir fachsimpelten, analysierten und wir teilten uns unsere vielen individuellen Laufeindrücke und –erlebnisse mit. So konnte Jürgen erleichtert zur Kenntnis nehmen, dass er nur knapp einer „Schneeballattacke“ von Sylva entkommen war. Sie hatte kurz vor dem Gipfel zu diesem verwegenen Zweck Gletscherschnee gesammelt, welcher aber der großen Hitze zum Opfer fiel und sich im Ziel bereits verflüchtigt hatte. So bleibt das Lauferlebnis Graubündenmarathon für uns in vielfältiger Erinnerung – auch und besonders, weil es immer wieder schön ist, in einer Gruppe mit Lauftrefflern unterwegs zu sein.