100 km-Ultralauf Biel
Erlebnisbericht von Rolf Wäsche

Für den schnellen Leser:
Start: 22.00 Uhr, 550 Höhenmeter, Teilnehmer: 196 Frauen,1229 Männer. Mit einer Zeit von 11 Stunden, 45 Minuten und 17 Sekunden erreichte ich den 498. Platz und in meiner Alters-klasse Platz 16.

Liebe Läuferinnen und Läufer,
dieser Bericht soll sowohl über den Lauf im „Ultra-Mekka“ informieren als auch Mut machen, dass mit systematischem Training auch besondere Herausforderungen gemeistert werden können.

In Begleitung zweier erfahrener „Ultras“, Sabine Strotkamp (LG Ahrweiler) und „Mattin“ Becker von der Troisdorfer LG, MUT (Marathon und Ultra-Team) reiste ich am Vortag des Starts an. Das hatte den Vorteil, dass für alle Vorbereitungen ausreichend Zeit zur Verfügung stand. Nach dem Abholen der Startunterlagen stand die „Pasta-Party“ im Mittelpunkt, obwohl bis zum Start noch 24 Stunden verstreichen sollten. Trotz Schlummertrunks wurde es eine unruhige Nacht. Ich hatte gehörigen Respekt vor der Distanz. Am Starttag bestand die Gelegenheit zum vergünstigten Einkauf in der Fußgängerzone von Biel. Mit erneutem Nudelessen „beim Italiener“ und Entspannen im Park am See wurde die Zeit totgeschlagen. Diese „Vorbereitungszeit“ schloss ich dann mit einer Meditation ab und war anschließend hoch motiviert. Noch immer dauerte es vier Stunden bis zum Start. Wieder wurden Nudeln gegessen. Endlich dämmerte es, und der Zeiger der Uhr rückte Richtung 22.00 Uhr. Im Startpulk stehend schwirrten die Gedanken im Kopf herum: Haben die ca.80 km pro Woche gereicht? Waren die Longjoggs wie Hamburg-Marathon und 50 km -Westerwald-Lauf ausreichend? Andererseits galt es, sich im Training nicht kaputt zu laufen.

Endlich der Startschuss. Durch Biel ging es wie beim Stadt-Marathon. Meine beiden Experten zeigten mir, dass man nicht zu schnell anlaufen darf, aber auch schon in der frühen Phase nicht trödeln sollte. Meine Gedanken kreisten um das selbst gesteckte Ziel: Laufzeit 12 Stunden. Schon war der erste Kilometer geschafft, nun waren es nur noch 99. Nach ca. 7 km ging es hinaus in die dunkle Landschaft. Die Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit, trotz Vollmonds war erstaunlich wenig Sicht. Auf Schotterwegen wurden Schlaglöcher von mir nicht gern gesehen. Nach ca. 18 km lief man über eine Holzbrücke in die Stadt Aarberg ein. Der mittelalterliche Marktplatz war mit Zuschauern gefüllt, man lief durch ein Spalier wie bei der Tour de France. Doch schnell war wieder „Schluss mit lustig“. Nun ging es ständig bergauf, bergab bis nach Kirchberg. Immer wieder wurde die Strecke von mir nach Laufkilometern eingeteilt. Jetzt war der Halb-Marathon geschafft – nur noch die Länge von ca. 2 Marathons vor mir. Dann das erste Drittel der Strecke geschafft. Anschließend der erste Marathon. Hier beendeten die parallel laufenden Marathonis ihren Lauf (haben die es gut, die können schon duschen!). Und dann erschien endlich auch das 50 km Schild an der Strecke. Aber die innere Stimme sagte: Das ist nur die mathematische Hälfte, die psychologische liegt bei 60 km. Und erfahrene Läufer sagen, in Biel beginne das Rennen erst bei Kilometer 80!

Hinter Kirchberg wurde es ernst. Jetzt musste die Taschenlampe eingeschaltet werden. Der berühmte „Ho-Chi-Minh-Pfad“ entlang der Emme forderte volle Konzentration, trotz Vollmond war es stockdunkel. Der Leinpfad war schmal und voller Wurzeln. Zweimal war ich dem Stürzen nahe. Nur gut, dass der Wettergott so gnädig war. Wie musste das hier erst bei Regen sein! Nach den ersten schlimmen 5 Kilometern stand der Verpflegungspunkt goldrichtig. Vom Wassertrinken war ich bald auf vegetabile Brühe umgestiegen, um den Salzgehalt nicht zu sehr absinken zu lassen. So gestärkt, ging es nun besser weiter, zumal auch langsam der Morgen dämmerte. Obwohl noch ein Drittel der Strecke zu laufen war, gab der neue Tag Kraft. Dieses Gefühl wurde jäh zerstört. Es meldeten sich altbekannte Schmerzen im Knie. Fast freute ich mich auf Steigungen, gaben sie mir doch die Rechtfertigung, im Schritt zu gehen. Doch das Wiederanlaufen bedeutete jedes Mal eine neue Herausforderung. Und so zwang ich mich, bei dem von mir zuvor festgelegten Baum oder Gully, den alten Laufrythmus wieder aufzunehmen. Auf einmal wirkten die körpereigenen Opiate und die Schmerzen verschwanden. Aber bei km 80 waren sie wieder voll da, um mich unbarmherzig bis ins Ziel zu plagen. Ich kann nur bestätigen, wie schön es war, bei Arch aus dem Wald kommend ins Tal der Aare zu blicken und in der Ferne Biel zu sehen – dabei waren es erst die Vororte, aber wer wollte das zu diesem Zeitpunkt so genau wissen! Trotz der Schmerzen verzichtete ich auf ein Aussteigen bei den Zwischenzielen. Ich wollte es schaffen. Aber meine Kilometerzeiten wurden immer schwächer. Für die letzten 15 km brauchte ich 8 Minuten pro Kilometer. Jetzt überholte ich nur noch wenige, sondern wurde eher überholt. Das war bedrückend. Und immer wieder plagte dieses schmerzende Knie! Die letzten 5 Kilometer waren ausgeschildert, doch sie zogen sich enorm hin. Der Vergleich mit bekannten Strecken zu Hause half nur bedingt. Aber dann war die Eisbahn mit dem Zielbogen in Sicht. Ich verzichtete auf eine letzte Kraftanstrengung angesichts meiner Gesamtzeit und der Erfahrung, dass ein „lockeres“ Laufen ins Ziel zu einer besseren persönlichen Bewertung eines Laufes beiträgt.

Ich war mit meinem Ergebnis zufrieden, hatte ich doch das selbstgesteckte Ziel, den Lauf in 12 Stunden zu schaffen mit meinen 11 Stunden und 45 Minuten unterschritten, und meinen 16. Altersklassenplatz empfinde ich als Hobbyläufer als Sahnehäubchen.